Entwicklung der
Äschenbestände
in der Ammer
unter Berücksichtigung der
Gänsesäger-
Vergrämung
Gekürzter Endbericht Nov. 2001
Bericht:
Dr. Oliver Born,
Dipl.Ing. Sebastian Hanfland
Befischungen: Dr. Erik Bohl, Landesamt für Wasserwirtschaft
(Abt. Gewässerökolog. Forschung / Ref. Ökologie der Fische)
gemeinsam mit Landesfischereiverband Bayern e.V.
LANDESFISCHEREIVERBAND BAYERN e.V.
Union der Angel- und Berufsfischer
pg_0002
2
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
3
2 Untersuchungsgebiet
4
3 Methodik
6
3.1 Vergrämung der Gänsesäger
6
3.2 Vergleich der Referenzstrecken und der Vergrämungsstrecke
7
3.3 Qualitative und quantitative Fischbestandserhebung
7
3.4 Datenauswertung und statistische Analyse
10
4 Ergebnisse
10
4.1 Fischartenspektrum und -verteilung
10
4.2 Entwicklung der Fischbestände im Untersuchungszeitraum
13
4.2.1 Fischbestandsentwicklung in der Vergrämungsstrecke
13
4.2.2 Äschenbestandsentwicklung in den Referenzstrecken
15
4.2.3 Vergleich der Bestandsentwicklung in der Vergrämungs-
strecke und in den Referenzstrecken
16
4.2.4 Längenhäufigkeitsverteilungen Äsche
19
5 Interpretation und Bewertung der Ergebnisse
20
5.1 Bewertung potentieller Ursachen der Äschenbestandsentwicklung
in der Ammer
21
5.1.1 Hochwasserereignisse
21
5.1.2 Fischereiliche Entnahme
21
5.1.3 Nahrungskonkurrenz
21
5.1.4 Genetische Verfälschung
22
5.1.5 Besatzmaßnahmen
22
5.1.6 Schädigungen durch chemische Substanzen
23
5.1.7 Verlust von Laichhabitaten
24
5.1.8 Prädation
24
6 Literaturverzeichnis
25
7 Anhang
34
pg_0003
3
1
Einleitung
Die Äschenbestände in Südbayern sind im letzten Jahrzehnt stark zurückgegangen (Baars et
al. 2000, Mathes 1993). Vor dem Rückgang der Bestände hatte die Äsche eine hohe
wirtschaftliche und angelfischereiliche Bedeutung in Bayern. Die Äsche ist als bedrohte Art
in der europäischen FFH Richtlinie im Anhang V aufgeführt. Die derzeitige
Gefährdungseinstufung in der bayerischen Roten Liste liegt bei “gefährdet”, spiegelt jedoch
in vielen Gewässersystemen nicht mehr den aktuellen Gefährdungsstatus wieder. In einigen
Gewässern drohen die Populationen unter die kritische Bestandsgröße zu sinken.
Als Ursachen für den starken Bestandsrückgang werden im "Artenhilfsprogramm Äsche"
verschiedene Einflussfaktoren auf die Äschenbestände analysiert. Hierbei wurden bereits bei
der Konzeption des „AHP Äsche“ unterschiedliche Arbeitshypothesen zur Klärung des
Ursachenkomplexes aufgestellt. Während der starke Einfluß des Fraßdruckes des Kormorans
auf die Äschenbestände unzweifelhaft in einigen wissenschaftlichen Untersuchungen
nachgewiesen wurde (Keller et al. 1996, Baars et al. 2000), wird der Einfluß des Gänsesägers
in der Öffentlichkeit und in der Fachwelt sehr kontrovers diskutiert.
Abbildung 1 : Äsche (Thymallus thymallus) mit Bissverletzung
Aus vielen Gewässerabschnitten Südbayerns gab es Beobachtungen und Meldungen der
Fischereiberechtigten über eine Zunahme der überwinternden Gänsesägerbestände.
pg_0004
4
Abbildung 2: Zahlreiche Gänsesäger in der Iller bei Kempten (11.02.1999)
Auch wissenschaftliche Untersuchungen gaben erste Hinweise auf einen möglichen
Zusammenhang zwischen dem Einbruch der Äschenbestände und dem Fraßdruck der
Gänsesäger (Seifert 1997, Baars et al. 2000, Steinhörster et al. 1997). Fundierte gemeinsame
Untersuchungen der Fischereibiologie und der Ornithologie zur Klärung dieses strittigen
Einflußfaktors fehlten jedoch bislang. Durch die Einbindung des LBV in das Gesamtkonzept
sollte dieser Punkt als ein zentraler Teil bei der Antragstellung des Äschenhilfsprogrammes
berücksichtigt werden. Ein Ziel der vorliegenden Arbeit war es festzustellen, ob der
Fraßdruck durch Gänsesäger einen wesentlichen Einfluss auf die Bestandsentwicklung von
Äschen hat.
Die Untersuchungen basieren auf der aktiven Vertreibung überwinternder Gänsesäger aus
bestimmten Abschnitten der Ammer. Diese Vergrämung war durch den LBV sicherzustellen.
Im Rahmen der vorliegenden Studie werden die Untersuchungen zur Ermittlung, Bewertung
und Gewichtung des Fraßdruckes des Gänsesägers auf die Äschenbestände aus
fischereibiologischer Sicht dargestellt. Die Erhebungen der Fischbestände in der Ammer
wurden gemeinsam mit Mitarbeitern der Abteilung für Gewässerökologische Forschung des
Landesamtes für Wasserwirtschaft und des Landesfischereiverbandes Bayern durchgeführt.
Die Ergebnisse des ornithologischen Teils wurden in einem eigenen Bericht des LBV
zusammengestellt.
2
Untersuchungsgebiet
Bei der vorliegenden Untersuchung wurde die Ammer als typisches südbayerisches
Fließgewässer der Äschenregion ausgewählt. Im Rahmen des Artenhilfsprogrammes Äsche
zählt die Ammer zu den drei Gewässern erster Priorität, welche zu unterschiedlichen
pg_0005
5
Fragestellungen sehr genau untersucht wurden. An der Ammer wurden umfangreiche
Fischbestandsuntersuchungen von Seifert (1997), Wißmath (1997) und Bohl (1998)
durchgeführt. Die Ammer weist einen Bestand an Gänsesägern im Sommer und im Winter
auf. Die Bereitschaft der Fischereiberechtigten Untersuchungen an ihren Gewässerstrecken
durchführen zu lassen, sowie die Bereitwilligkeit aktiv an der Vergrämung sowie bei den
Elektrobefischungen mitzuwirken, waren weitere wichtige Auswahlkriterien.
Abbildung 3: Übersicht über die Ammer im Untersuchungsgebiet
Die Ammer ist im Untersuchungsgebiet ein voralpiner Fluss. Sie entspringt im
Ammergebirge und mündet nach rund 65 Kilometern Flusslauf bei Dießen in den Ammersee.
Das Untersuchungsgebiet umfasst den Ammerlauf auf einer Strecke von rund 15 Kilometern
im Bereich der Ammerschlucht (Fkm 155,5 bis 141,8). Das Abflussregime ist geprägt von
erhöhten Wasserständen im Frühjahr und Sommer (März bis August) und vorwiegend
niedrigen Abflüssen im Herbst und Winter. Die Hochwasserhäufigkeiten und -intensitäten
sind im Sommer (Juni und Juli) am größten. Während des Untersuchungszeitraums traten
wiederholt extreme Abflussverhältnisse auf. Im Mai 1999 ereignete sich ein sogenanntes
"Jahrhundert-Hochwasser" mit rund 329 m³/s (Pegel Peißenberg) und im August 2000 ein
starkes Hochwasser mit ca.188 m³/s (Pegel Peißenberg).
pg_0006
6
Tabelle 1: Abflusswerte Pegel Peißenberg (1961-1997):
NQ 1,32 m³/s niedrigster gemessener Abflusswert
MNQ 2,86 m³/s mittlerer Niedrigwasserabfluss
MQ 8,94 m³/s Mittelwasserabfluss
MHQ 114 m³/s mittlerer Hochwasserabfluss
HQ 286 m³/s höchster gemessener Abflusswert
Die Ammer ist im Untersuchungsgebiet sehr gut strukturiert und weitgehend naturnah. Flache
Rauschen (bis ca. 50 cm Wassertiefe) wechseln sich mit tiefen Gumpen (bis ca. 3 m Tiefe)
ab. Die Gewässersohle besteht fast ausschließlich aus grobkörnigem Material mit
ausgeprägtem Kieslückensystem. Im Untersuchungsgebiet befindet sich bei Fkm 150,7 das
Peitinger Wehr und am unteren Ende der Untersuchungsstrecke bei Fkm 141,8 das
Peißenberger Wehr. Beide Wehre sind für Fische stromaufwärts nicht überwindbar.
Die Ammer ist im Untersuchungsgebiet der Äschenregion zuzuordnen. Seifert konnte in der
Ammer im Bereich der Ammerschlucht 11 Fischarten (Aal, Aitel, Äsche, Bachforelle,
Bachsaibling, Barbe, Elritze, Hecht, Huchen, Mühlkoppe und Regenbogenforelle)
nachweisen, wobei der Bestand im Frühjahr vor Besatz zwischen 20 und 40 kg/ha geschätzt
wird und die Bestandsgröße nur rund 20 % des natürlichen Potentials beträgt (Seifert 1997).
Die meisten Fischarten der Ammer zählen zu den rhitralen bzw. rheophilen Spezies. Die
fischereiliche Nutzung der Ammer im Untersuchungsgebiet ist laut Seifert (1997) sehr
extensiv. Die Äsche ist ganzjährig geschont.
3
Methodik
3.1
Vergrämung der Gänsesäger
Um den Einfluß der fischfressenden Gänsesäger auf den Äschenbestand abschätzen zu
können, wurde ein Streckenabschnitt der Ammer ausgewählt, in dem Gänsesäger während der
Wintermonate vergrämt wurden. Diese Aufgabe wurde durch den LBV übernommen. Die
Vergrämungsstrecke wurde mit einer Gesamtlänge von 5,0 km (Fkm 150,7 bis 145,7) so
lange gewählt, dass deutliche Effekte in der Fischbestandsentwicklung erkennbar sein sollten.
Die Vergrämung wurde in Vorgesprächen von Seiten der Ornithologie als effektiv und
nachhaltig bezeichnet, wenn die Strecke einmal täglich von einer Person begangen wird. Im
Winter 1998/99 wurde die Vergrämung der Gänsesäger von Februar bis März 1999 an
insgesamt 46 Tagen durchgeführt. Die Vergrämung erfolgte täglich durch 4-stündige
Begehungen im Fluss oder am Ufer. Vergrämt wurden alle gesichteten Gänsesäger durch
aktives Lärmen und schnelle Bewegungen. In der Regel war eine Person zur Vergrämung
unterwegs. Im Winter 1999/2000 wurde die Vergrämung der Gänsesäger von November 1999
bis März 2000 an insgesamt 150 Tagen durchgeführt. Da nach Auffassung der
Fischereivertreter die Vergrämung im Winter des Vorjahres nicht effektiv genug war, erfolgte
die Vertreibung in diesem Jahr primär durch den Einsatz einer Schreckschusspistole.
pg_0007
7
Einzelheiten sind dem Bericht des LBV zu entnehmen.
3.2
Vergleich der Referenzstrecken und der Vergrämungsstrecke
Um die Bestandsentwicklung in der Vergrämungsstrecke und in Ammerabschnitten, in denen
keine Vertreibung der Gänsesäger stattgefunden hat, vergleichen zu können, wurden sog.
Referenzstrecken unmittelbar stromauf und stromab der Vergrämungsstrecke definiert.
Hierdurch kann sichergestellt werden, dass in den Gewässerabschnitten die gleichen
chemischen Gewässerparameter vorherrschen und mögliche Schadstoffwirkungen
gleichermaßen auf die Bestände einwirken. Die Referenzstrecken und die
Vergrämungsstrecke unterscheiden sich hinsichtlich ihrer fischereibiologisch bedeutenden
Kriterien nicht wesentlich. Auftretende Unterschiede in der Äschenbestandsentwicklung sind
somit auf Effekte der Gänsesägervergrämung zurückzuführen.
Um die fischereibiologischen Aussagen auf eine solide Datenbasis stellen zu können, wurden
auch die Referenzstrecken mit einer Gesamtlänge von 8,9 Fluss-km sehr lang gewählt. Die
Streckenlängen wurden anhand der Flusskilometrierung errechnet. An Streckenabschnitten,
an denen keine Flusskilometrierung vorhanden war, wurden markante Punkte ausgewählt.
Die Streckenlängen wurden später unter Zuhilfenahme digitaler topographischer Karten
vermessen. Die mittleren Gewässerbreiten wurden mit einem Entfernungsmessgerät (Typ
Bushnell)
oder einem Maßband an verschiedenen repräsentativen Stellen ermittelt.
Tabelle 2: Übersicht über die Befischungsstreckenlängen und -flächen im
Untersuchungsgebiet
Streckenbezeichnung Fischereiberechtigte Fkm
Länge Breite Fläche
von bis [km] [m] [ha]
Referenzstrecke I
155,7 150,7 5,0
12,8
Referenzstrecke I a
155,5 154,5 1,0
2,6
Referenzstrecke I b
AG Lech-Ammer e.V.
151,6 150,7 0,9
25,5
2,3
Vergrämstrecke
Die Fischergilde e.V. 150,7 145,7 5,0 27,0 13,5
Referenzstrecke II
145,7 141,8 3,9
11,7
Referenzstrecke II c
145,7 144,6 1,1
3,3
Referenzstrecke II a
144,6 143,0 1,6
4,8
Referenzstrecke II b
FV Weilheim e.V.
143,0 141,8 1,2
30,0
3,6
3.3
Qualitative und quantitative Fischbestandserhebung
Die Erhebung der Fischbestände erfolgte mittels Elektrofischerei. Die Bestandsaufnahmen
wurden jeweils in Absprache mit den Fischereiberechtigten in Zusammenarbeit mit dem LfW
/ Abteilung Gewässerökologische Forschung in Wielenbach durchgeführt. An den
Referenzstrecken wurden jeweils die ausgewählten Abschnitte I a und II a befischt. Zur
Erweiterung der Datenbasis wurden zusätzlich weitere Streckenabschnitte (I b, II b und II c)
innerhalb der definierten Strecken zu bestimmten Terminen mit untersucht. Ein Schwerpunkt
der Untersuchung lag auf der Ermittlung der Fischbestandsentwicklung in der
pg_0008
8
Vergrämungsstrecke. Um die Entwicklung während des Jahres dokumentieren zu können,
wurden hier zusätzlich zu den Herbst- und Frühjahrsbefischungen während des Sommers
Bestandserhebungen durchgeführt. Somit kann die Bestandsentwicklung sehr exakt
dokumentiert werden (Tab. 4).
Tabelle 3: Jahreszeitliche Verteilung der Befischungen in den
Untersuchungsstrecken
1998
1999
2000
Strecke /
befischter Abschnitt Herbst Frühjahr Sommer Herbst Frühjahr Sommer Herbst
Referenzstrecke I
a / b
a a
a
Vergrämstrecke
x x x x x x x
Referenzstrecke II
a / b
a a / b
a/ b/ c
Die Befischungen wurden mit einem Boot stromabwärts watend, jeweils unter vergleichbaren
Bedingungen durchgeführt. Hierbei wurde ein Elektrofischereigerät mit einer Leistung von 11
kW mit zwei Anoden eingesetzt. Jedem Anodenführer standen mindestens 2 Personen mit
Fangkeschern zur Verfügung (Abb. 4). Die Befischungen wurden in vergleichbaren
Zeiträumen durchgeführt, soweit es die Umweltbedingungen zuließen. Gefangene Fische
wurden in Wannen am Gewässer kurzfristig gehältert. Kleinfischarten zeigen generell eine
geringere anodische Reaktion und sind bei den Befischungen unterrepräsentiert. Aus diesem
Grund wurden bei Kleinfischarten wie der Koppe Häufigkeiten aufgenommen (1 =
Einzelfund, 2 = selten, 3 = mittlere Häufigkeit, 4 = häufig, 5 = sehr häufig).
Abbildung 4: Elektrobefischung in der Ammer
Die gefangenen Fische wurden nach Arten bestimmt, einzeln gemessen und i.d.R. auf 1g
genau gewogen. Für die Längenmessung wurde ein Messbrett mit einer Genauigkeit von 0,5
pg_0009
9
cm und zur Gewichtsbestimmung eine grammgenaue digitale Waage verwendet. Für die
Auswertung der Fänge wurden, i.d.R. zusätzlich zum Befischungsteam, 4 – 5 Personen
eingesetzt (Abb. 5). Nur hierdurch konnten die enorm langen Befischungsstrecken in der
Ammer bewältigt und ausgewertet werden.
Abbildung 5:
Zeitgleiche Auswertung und Befischung in der
Vergrämungsstrecke
Gefangene Fische wurden jeweils bis zum Ende der Auswertung gehältert und anschließend
wieder in denselben Gewässerabschnitt zurückgesetzt, aus dem sie entnommen wurden. Die
Auswahl der Streckenlängen, des Gerätetyps, der Anzahl der Helfer sowie die Datenerfassung
wurde gemäß der Richtlinie des Verbandes Deutscher Fischereiverwaltungsbeamter und
Fischereiwissenschaftler (VDFF 2000) getroffen. Auftragsgemäß war der Fischbestand in
allen Strecken (Referenzstrecke I, Vergrämungsstrecke und Referenzstrecke II) mindestens 1
x quantitativ zu ermitteln, um die Höhe des Äschenbestandes wissenschaftlich abgesichert
abschätzen zu können. Zur Abschätzung des Fischbestandes wurde die Fang-Wiederfang-
Methode (Petersen- oder Lincoln-Index) angewendet (Mühlenberg 1993). Da bei Fischen
kleiner als 20 cm Körperlänge bei dieser Markierungsmethode ein deutlich erhöhtes
Verletzungsrisiko besteht, wurden nur Fische über 20 cm markiert. Zwei bis sieben Tage nach
der Markierung wurden dieselben Streckenabschnitte erneut befischt. Alle gefangenen Fische
über 20 cm Körperlänge wurden vermessen und eventuelle Markierungen protokolliert. Über
den Anteil der markierten Fische am Gesamtfang kann auf den Gesamtfischbestand
hochgerechnet werden. Die Gewichtsermittlung bezieht sich aus methodischen Gründen nur
auf Fische größer als 20 cm. Die Fischbiomasse wird daher unterschätzt. Der Gewichtsanteil
der Fische kleiner als 20 cm am Gesamtfang war jedoch in jedem Fall gering. Die
Unterschätzung der Fischbestandsdichten ist aus diesem Grund vernachlässigbar.
pg_0010
10
3.4
Datenauswertung und statistische Analyse
Die statistischen Analysen wurden von Herrn Christian Edel durchgeführt. Die Berechnungen
wurden mit dem Statistikprogramm SPSS für Windows vorgenommen. Beim Vergleich der
Ergebnisse der Vergrämstrecke mit den Ergebnissen der Referenzstrecken wurde für die
statistische Analyse der Wilcoxon-Rang-Summen Test angewendet. Die Analyse der
Fangdaten auf Trends im Beobachtungszeitraum wurden Regressionsanalysen durchgeführt.
4
Ergebnisse
4.1
Fischartenspektrum und -verteilung
Insgesamt wurden in den unterschiedlichen Streckenabschnitten der Ammer 14 Fischarten
nachgewiesen (Tab. 4). Äsche, Regenbogenforelle, Bachforelle, Barbe, Huchen und Koppe
waren die Hauptfischarten
1
. Diese Arten sind Kieslaicher und rhitral oder rheophil. Das
Artenspektrum war in der Referenzstrecke I mit nur 4 Arten deutlich geringer als in der
Referenzstrecke II mit 7 und in der Vergrämungsstrecke mit 14 Arten (Tab.4). Die
vergleichsweise hohe Artenzahl in der Vergrämungsstrecke wird durch den Fang von
Einzelindividuen der Arten Aal, Karpfen, Schleie, Schneider und Waller nach dem
Pfingshochwasser 1999 maßgeblich begründet. Die geringe Artenzahl in der Referenzstrecke
I verdeutlicht die Barrierewirkung des Peitinger Wehres (Seifert 1997).
Mitteldistanzwanderfische wie Huchen und Barbe können zwischen den lebensnotwendigen
Habitaten wie Laichplätze und Jungfischhabitate, Nahrungsräume und Wintereinstände nicht
mehr ungehindert wechseln. Vor dem Bau des Peitinger Wehrs kamen oberhalb der
Wanderbarriere sowohl Barben als auch Huchen vor (mdl. Mitteilung Waldmann 2000). Als
Kleinfischarten wurden die Arten Koppe, Schmerle und Schneider nachgewiesen. Lediglich
die Koppe weist eine geringe bis mittlere Häufigkeit auf. Schmerle und Schneider wurden nur
in der Vergrämungsstrecke und auch hier nur in Einzelexemplaren nachgewiesen. Insgesamt
konnten von November 1998 bis November 2000 an 11 Befischungsterminen 4.852 Fische
mit einem Gesamtgewicht von rund 1.900 kg gefangen und ausgewertet werden . Die Äsche
dominierte hinsichtlich der Anzahl sowohl in der Vergrämungsstrecke als auch in den
Referenzstrecken im Gesamtfang, gefolgt von Regenbogenforelle, Bachforelle, Barbe und
Huchen. Bei den übrigen Fischarten lag der Anteil an der Gesamtindividuenzahl unter 1 %.
Der Anteil am Gesamtfanggewicht war in der Vergrämstrecke bei Regenforelle und Äsche in
etwa gleich, in den Referenzstrecken überwog der Anteil der Regenbogenforelle. Die Analyse
zeigt eine Hohe Ähnlichkeit der Fischbestandszusammensetzung in der Vergrämungsstrecke
und in den Referenzstrecken.
1
Hauptfischarten: Fischarten, bei denen der Anteil am Gesamtfang (bezüglich Anzahl und / oder Gewicht)
> 5% beträgt + Kleinfischarten ab einer Häufigkeit >=2.
pg_0011
11
Tabelle 4: Nachgewiesene Fischarten in der Ammer
Fischart
w isse nsch aftl ich er N a m e
Aal*
Anguilla anguilla
Eurytop
-
X
Aitel/ Döbel
Leuciscus cephalus
Rheophil A
Ki
X
Äsche
Thym allul thym allu s
Rhitral
Ki
X
X
X
B a c h fo re lle
Salm o trutta f.fario
Rhitral
Ki
X
X
X
B a c h s aib ling
Salvelinus fontinalis
Rhitral
Ki
X
X
Barbe
B arb u s b arb us
Rheophil A
Ki
X
X
Huchen
Hucho hucho
Rhitral
Ki
X
X
Karpfen*
Cyprinus caprio
Stagnophil
Kr
X
Koppe/ Groppe
Cottus gob io
Rheophil A
Ki
X
X
X
Regenbogenforelle
Oncorhynchis mykiss
Rhitral
Ki
X
X
X
Schleie*
Tinca tinca
Stagnophil
Kr
X
Schmerle
Naom echeilus barbatulus
Rheophil A
Ki
X
Schneid e r*
Alburnoides bipunctatus
Rheophil A
Ki
X
W a lle r*
Siluri glanis
Eurytop
Kr
X
14
4
14
7
5
5
2
2
10
4
* = Einzelfänge nach Pfingsthochwasser
Nachgewiesene Arten 1998-2000
Summe na chge wiesene Fisc harten
N rh itra le Arte n
N eurytope Arten
Einteilung nach ökologische Gilden
ökologische Gilden
N rheophile Arten
N sonstige (Krautlaicher, tolerant oder katadrom)
N stagnophile Arten
Einteilung nach Laichsubstrat
N nachgew iesene K ieslaicher
Tabelle 5: Gesamtfangergebnis Ammer 1998 - 2000
(11 Befischungen; max. Strecke 11,7 km)
Fischart
Anzahl
Gewicht [g]
Aal
5
3.125
Aitel
22
20.152
Äsche
2.834
537.500
Bachforelle
424
132.057
Bachsaibling
16
8.102
Barbe
264
372.825
Huchen
65
227.318
Karpfen
2
2.825
Regenbogenforelle
1.218
584.114
Schleie
1
100
Waller
1
620
Summe
4.852
1.888.739
Kleinfischarten
Häufigkeit
Koppe
2
Schmerle
1
Schneider
1
pg_0012
12
Anzahl [%]
Gewicht [%]
100 80 60 40 20 0 20 40 60 80 100
Äsche
R ege nbo genforelle
Bachforelle
Barbe
H uc he n
Aitel
B a c hsa iblin g
Aal
Karpfen
Sc hleie
Waller
Äsche
Regenbogenforelle
Bachforelle
Barbe
Huchen
Bachsaibling
Aal
A ite l/ D öb e l
Karpfen
Schleie
W a lle r
Abbildung 6: Anteil der Fischarten am Gesamtfang
Alle Befischungsstrecken
Vergrämstrecke
Referenzstrecke I + II
Äsche
Regenbogenforelle
Bachforelle
Barbe
Huchen
Aitel/ Dö bel
Bachsaibling
Aal
Karpfen
Schleie
W a ller
pg_0013
13
4.2
Entwicklung der Fischbestände im Untersuchungszeitraum
4.2.1 Fischbestandsentwicklung in der Vergrämungsstrecke
Durch 7 Elektrobefischungen von 1998 bis 2000 kann die Entwicklung des Fisch- und
speziell des Äschenbestandes in der Vergrämungsstrecke gut nachvollzogen werden
(Abbildung 7). Der Einheitsfang im November 1998 zeigt einen sehr geringen Äschenbestand
mit 4,3 Stück und einem Gewicht von 0,8 kg pro 100 m. Auch der Gesamtfischbestand war
mit 6,5 Individuen und 2,7 kg Fischbiomasse pro 100 m auf sehr niedrigem Niveau. Die
Ergebnisse der darauffolgenden Frühjahrsbefischung im März 1999 zeigen einen weiteren
Rückgang des Fischbestandes im Winter. Dies gilt mit 1,5 Individuen/100m insbesondere für
den Äschenbestand. Der gewichtsbezogene Einheitsfang blieb jedoch sowohl bei der Äsche
als auch im Gesamtbestand nahezu unverändert. Die weiteren Ergebnisse der Sommer- und
Herbstbefischung des Jahres 1999 zeigen eine deutliche Zunahme des Äschen- und des
Gesamtfischbestandes. Während sich der anzahlbezogene Einheitsfang der Äschen etwa um
den Faktor 2,5 erhöhte, verdreifachte sich das Einheitsfanggewicht. Diese Entwicklung ist in
ähnlicher Intensität auch bei der Betrachtung des Gesamtfanges festzustellen.
Auch in den Wintermonaten 1999/2000 war eine erneute Bestandsdepression festzustellen,
die sich in deutlich reduzierten Fangzahlen der Äsche und des Gesamtbestandes
wiederspiegelte. Ebenso wie im Vorjahr blieb das Fanggewicht jedoch in ähnlichen
Größenordnungen. Der Bestandsrückgang war deutlich geringer als im Winter zuvor. Trotz
der Reduktion der Äschen- und Gesamteinheitsfänge im Winter 99/00 kam es insgesamt zu
einem deutlichen Ansteigen des Äschen- und Gesamteinheitsfanges von Frühjahr 1999 zum
Frühjahr 2000. Die Befischungen des letzten Untersuchungsjahres zeigen weiterhin die
äußerst positive Tendenz durch den starken Aufwärtstrend der Einheitsfangzahlen und -
gewichte. Bis zum November 2000 hat sich der Äschenfang mit 20,3 Äschen / 100 m im
gesamten Untersuchungszeitraum mehr als verfünffacht, der gewichtsbezogene Äschenfang
fast um den Faktor 4 erhöht. Die Gesamteinheitsfänge verdeutlichen ebenfalls die sehr
positive Entwicklung.
In der statistischen Analyse ergaben sich für alle abhängigen Variablen signifikante bis
hochsignifikante F-Tests für das verwendete Modell, bei sehr guten Anpassungen. In allen
Fällen konnte ein positiver Regressionskoeffizient geschätzt werden, der hochsignifikant von
0 verschieden war. (siehe Anhang). Die Fangentwicklung im Betrachtungszeitraum lässt sich
daher mit hoher Genauigkeit durch eine lineare Regression beschreiben. Für alle gewählten
abhängigen Variablen konnte bei der Entwicklung des Einheitsfänge in der
Vergrämungsstrecke eine positive Entwicklung, statistisch hochsignifikant abgesichert,
nachgewiesen werden.
pg_0014
14
Abbildung 7: Entwicklung der Einheitsfänge in der Vergrämstrecke
Auch die Ergebnisse der quantitativen Fischbestandsermittlung bestätigen und erhärten die
zuvor dargelegten Fakten eindringlich (Tab. 6). In der Vergrämungsstrecke ist der
Äschenbestand von November 1998 bis November 2000 von 52 auf 134 Stück/ha angestiegen
und hat sich damit nahezu verdreifacht. Die Biomasse des Äschenbestandes nähert sich mit
31 kg/ha einem mittleren Bestandsniveau. Aus methodischen Gründen können bei der
Schätzung mit der Fang-Wiederfang-Methode nur Äschen größer als 20 cm erfasst werden.
Nov 98 März 99 Jul i 99 Nov 99 Apr 00 Jun 00 Nov 00
0,0
5,0
10,0
15,0
20,0
25,0
Gewicht [kg]/100m 0,8 0, 6 0,7 2,3 1,6 1,9 2,9
Anzahl / 100m
4,3 1, 5 3,3 11,1 5,3 9,1 20,3
Nov 98 März 99 Juli 99 Nov 99 Apr 00 Jun 00 Nov 00
Äscheneinheitsfänge
Nov 98 März 99 Jul i 99 Nov 99 Apr 00 Jun 00 Nov 00
0,0
5,0
10,0
15,0
20,0
25,0
30,0
Gewicht [kg]/100m 2,7 2, 7 3,9 5,6 4,7 7,1 8,1
Anzahl / 100m
6,5 3, 9 10,3 15,9 9,7 18,4 27,1
Nov 98 März 99 Juli 99 Nov 99 Apr 00 Jun 00 Nov 00
Gesamteinheitsfänge
pg_0015
15
Die aufgezeigte Steigerung des Äschenbestandes liegt daher etwas unter den oben
angeführten Steigerungsraten des Einheitsfanges pro 100m.
Tabelle 6: Entwicklung des Äschenbestandes in der Vergrämungsstrecke
(quantitativer Schätzung nach Mühlenberg)
November 1998
November 2000
Anzahl/ha Gewicht/ha Anzahl/ha Gewicht/ ha
N Stabw. G [kg] Stabw. N Stabw. G [kg] Stabw.
Äschenbestand
Vergrämstrecke
(Befischung
Fkm 150,7–146,1)
52 10 14,4 2,8 134 9
31,0 2,0
4.2.2 Äschenbestandsentwicklung in den Referenzstrecken
In beiden Referenzstrecken verdeutlicht der Äscheneinheitsfang im gesamten
Untersuchungszeitraum ein extrem geringes Bestandsniveau (Abbildung 8). Der Vergleich
der Fangzahlen vom Frühjahr 1999 mit dem Frühjahr 2000 zeigt sogar eine weitere
Reduktion der Fangzahlen, die jedoch angesichts des bereits extrem geringen
Ausgangsniveaus nicht aussagekräftig ist. Ebenso ist der Anstieg der Einheitsfangzahlen in
den Sommermonaten in der Referenzstrecke II a auf sehr niedrigem Niveau. Diese
Beobachtung ist aller Wahrscheinlichkeit nach auf den gestiegenen Besatz in der
Referenzstrecke II von 1998 bis 2000 zurückzuführen und nicht Ausdruck einer nachhaltigen
Bestandserholung.
In der statistischen Analyse wurde geprüft, ob eine positive Entwicklung in den beiden
Referenzsstrecken nachgewiesen werden kann. Da im vorliegenden Fall 4 Werte pro
Gewässerabschnitt vorlagen, ein F-Test mit nur einem Residual-Freiheitsgrad aber so gut wie
nie signifikant sein kann, wurden die Daten der Abschnitte Referenzstrecke Ia und IIa
zusammengefasst. Trotz eines signifikanten F-Tests bei drei der vier abhängigen Variablen
(außer “Gewicht Äschen kg/100m“), kann in keinem Fall ein signifikant von Null
verschiedener, positiver Regressionskoeffizient geschätzt werden. Im Beobachtungszeitraum
war mit dem zugrundegelegten Modell, trotz zufriedenstellender Anpassung, eine positive
Entwicklung der Fangergebnisse in den Referenzstrecken nicht nachweisbar.
pg_0016
16
Abbildung 8: Entwicklung der Äscheneinheitsfänge in den Referenzstrecken
4.2.3 Vergleich der Bestandsentwicklung in der Vergrämungsstrecke und in den
Referenzstrecken
Abbildung 9 verdeutlicht den stark unterschiedlichen Verlauf der Äscheneinheitsfänge in der
Vergrämungsstrecke und in den Strecken ohne Gänsesägervergrämung. Sowohl im Vergleich
der zahlenbezogenen als auch der gewichtsbezogenen Einheitsfänge wird deutlich, daß sich
bereits nach 2 Wintern mit Gänsesägervergrämung deutliche Effekte in der Entwicklung der
Referenzstrecke Ia
0
5
10
15
20
25
A nzahl / 100 m
0,4
2, 5
0,1
2,4
Gewic ht [kg] 100 m
0,0
0, 0
0,0
0,3
März/ April 99
Nov 1999
März/ April 00
Nov 2000
Referenzstrecke IIa
0
5
10
15
20
25
A nzahl/ 100 m
0,8
1, 5
0,4
4,1
Gewic ht [kg]/100 m
0,1
0, 3
0,1
0,8
März/ April 99
Nov 1999
März/ April 00
Nov 2000
Referenzstrecken Ia + IIa
0
5
10
15
20
25
Anzahl/ 100 m
0,6
1,9
0,3
3,4
Gewicht [kg]/1 00 m
0,1
0,3
0,1
0,6
März/ April 99 Nov 1999 März/ April 00 Nov 2000
pg_0017
17
Äschenbestände der Ammer feststellen lassen.
Abbildung 9: Entwicklung der Einheitsfänge der Äsche in den Referenzstrecken I a und
II a und in der Vergrämungsstrecke
Nach einem Vergrämungswinter war der zahlenmäßige Einheitsfang (Frühjahr 1999) in der
Vergrämungsstrecke etwa doppelt so hoch wie in den Referenzstrecken. Dieser Unterschied
vergrößert sich nach dem zweiten Winter auf ein Verhältnis von ca. 17:1 im Frühjahr 2000.
Dieses sehr deutliche Zahlenverhältnis gilt auch bei Betrachtung der gewichtsbezogenen
Einheitsfänge der Äsche im Frühjahr 2000. Die Analyse der Ergebnisse der quantitativen
0,6
1,9
0,3
3,4
1,5
11,1
5,3
20,3
0
5
10
15
20
25
F rühjahr 1999 Herbst 1999 Frühjahr 2000 Herbst 2000
Äschenanzahl/100m
0,1
0,3
0,1
0,6
0,6
2,3
1,6
2,9
0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
Frühjahr 1999 Herbst 1999 Frühjahr 2000 Herbst 2000
R eferenzstrecken
Vergrämungsstrecke
Äschenfanggewicht [kg]/100m
pg_0018
18
Fischbestandserhebungen im November 2000 bestätigt die aufgezeigten Entwicklungen. Am
Ende der zweijährigen Versuchsphase war der mit der Fang-Wiederfang-Methode geschätzte
Äschenbestand der Vergrämungsstrecke ca. 5 mal so hoch wie in den Abschnitten ohne
Verteibung der fischfressenden Vögel.
Tabelle 7: Vergleich der Äschenbestandsdichte in den Ammerstrecken
(Zahlen basierend auf quantitativer Bestandsschätzung, Nov. 2000)
Äschenbestand
Stückzahl/ ha.
Gewicht/ ha.
Abschnitt
N
Stabw.
G [kg]
Stabw.
Vergrämstrecke
134
9
31,0
2,0
Referenzstrecke Ia + IIa
25
3
4,6
0,6
Referenzstrecke I a
14
5
3,0
1,2
Referenzstrecke II a
30
4
5,4
0,8
Der Gesamtfang aller Fischarten zeigt ebenfalls deutliche Differenzen in den Einheitsfängen
der Referenzstrecken und der Vergrämungsstrecken auf. Die Unterschiede sind jedoch etwas
weniger stark ausgeprägt als bei den Einheitsfängen der Äsche (Abbildung 10).
In der statistischen Auswertung wurde zunächst mit robusten Testverfahren untersucht, ob
sich die drei Gewässerabschnitte in ihren mittleren Fangergebnissen über den gesamten
Beobachtungszeitraum unterscheiden. (robuste Tests da es nicht zu erwarten war, dass die
Fangerträge im Beobachtungszeitraum normalverteilt sind). Für alle vier Variablen (Anzahl
Äschen/100m, Gewicht Äschen in kg/100m, Gesamtanzahl gefangener Fische/100m und
Gesamtgewicht gefangener Fische kg/100m) ergab sich ein signifikanter bis hochsignifikanter
Unterschied zwischen den drei Gewässerabschnitten (s. Anhang). In einem zweiten Schritt
wurden die Referenzstrecken miteinander verglichen, mit dem Ergebnis, dass kein
signifikanter Unterschied in den Fangergebnissen zwischen Strecke Ia und IIa besteht .
pg_0019
19
Abbildung 10: Entwicklung der Gesamteinheitsfänge in den Referenzstrecken
(Mittelwert von Ref. I a und II a) und der Vergrämungsstrecke
4.2.4 Längenhäufigkeitsverteilungen Äsche
Die Analyse der Längenhäufigkeiten der Äschen zeigt in der Vergrämungsstrecke und in den
Referenzstrecken im Frühjahr 1999 eine deutlich gestörte Populationsstruktur.
Dies gilt für die Referenzstrecken auch für das Jahr 2000. Die Längenhäufigkeitsverteilung in
der Vergrämungsstrecke lässt im Frühjahr 2000 einen relativ guten Altersklassenaufbau mit
ca. 6 Jahrgängen erkennen. Dies ist ein deutlicher Hinweis auf die nachhaltig positive
Entwicklung des Äschenbestandes in der Vergrämungsstrecke.
1,7
5,2
2, 7
6, 4
3,9
15,9
9,7
27,1
0,0
5,0
10,0
15,0
20,0
25,0
30,0
Frühjahr 1999 Herbst 1999 Frühjahr 2000 Herbst 2000
Gesamtanzahl/100m
0,8
2,2
1, 6
2, 8
2, 7
5,6
4,7
8,1
0,0
1,0
2,0
3,0
4,0
5,0
6,0
7,0
8,0
9,0
10,0
Frühjahr 1999 Herbst 1999 Frühjahr 2000 Herbst 2000
Referenzstrecken
Vergrämungsstrecke
Gesamtfanggewicht [kg]/100m
pg_0020
20
5
Interpretation und Bewertung der Ergebnisse
Als mögliche Erklärungen für den festgestellten Rückgang der Äschenbestände in Bayern
werden im Rahmen des Artenhilfsprogrammes Äsche unterschiedliche Arbeitshypothesen
überprüft.
Abbildung 11: Mögliche Ursachen für den Rückgang der Äsche
Die obenstehende Abbildung verdeutlicht ein relativ komplexes Wirkungsgefüge. Einzelne
der potentiellen Einflußfaktoren auf Fischbestände beeinflussen sich wechselseitig. Die
Auswirkungen eines einzelnen Faktors auf einen Äschenbestand sind zunächst nicht ohne
Betrachtung anderer potentieller Ursachen interpretierbar. Im Rahmen des AHP Äsche
wurden daher alle obenstehenden potentiellen Gefährdungsursachen untersucht.
Das im vorliegenden Bericht beschriebene Teilprojekt hatte zum Ziel, die Auswirkungen des
Fraßdruckes des Gänsesägers auf den Äschenbestand der Ammer abzuschätzen. Um eine
Bewertung dieses sehr kontrovers diskutierten Faktors zu ermöglichen, sollte die
Äschenbestandsentwicklung in Gewässerabschnitten mit und ohne Vergrämung der
fischfressenden Vögel erhoben und verglichen werden. Durch den Vergleich der
Bestandsänderung innerhalb eines Gewässers und in unmittelbar aneinander grenzenden
Gewässerstrecken konnte vorausgesetzt werden, dass einige potentielle Einflussfaktoren in
weitgehend gleicher Weise auf die Äschenbestände der einzelnen Strecken einwirkten. Daher
können insbesondere überregional bzw. global wirkende Faktoren wie Klimaerwärmung und
UV-Strahlung nicht für unterschiedliche Entwicklungen in den Einzelstrecken in Frage
kommen. Zu Beginn der Untersuchungen wurde bezweifelt, daß eine zweijährige
Vergrämung fischfressender Vögel bereits zu einer deutlichen Bestandserholung führen
könne. Die dargelegten Unterschiede in der Äschenbestandsentwicklung zeigen, daß selbst
nach einer relativ kurzen Zeit ein deutlich positiver Effekt nachweisbar ist. Dies ist ein
pg_0021
21
deutliches Zeichen für das prinzipiell hohe Wachstumspotential der Äschenpopulation und
die guten Wachstumsbedingungen bei weitgehendem Ausschluß des Prädationsdruckes.
5.1
Bewertung potentieller Ursachen der Äschenbestandsentwicklung
in der Ammer
Im Nachfolgenden sollen wesentliche Faktoren, die für die aufgezeigten unterschiedlichen
Bestandsänderungen potentiell verantwortlich sein könnten, diskutiert und bewertet werden.
5.1.1 Hochwasserereignisse
Das Jahrhunderthochwasser im Juni 1999 hatte offensichtlich keine drastischen Folgen für
den Äschenbestand der Ammer. Eine Zunahme der Äschenbestände in der
Vergrämungsstrecke durch eine Verdriftung von stromaufwärtsgelegenen Strecken war nicht
feststellbar. Die stromaufwärts vorkommenden Bestände waren schon vor dem Hochwasser
sehr gering. Eine relevante Verdriftung der Fische stromabwärts – welche eventuell Einflüsse
auf die Ergebnisse der Vergrämungsversuche haben könnte - konnte nicht festgestellt werden.
Wiederfänge von markierten Wildfischen, die vor dem Hochwasser mit Nummernmarken
markiert wurden, und sich danach in den gleichen Streckenabschnitten aufhielten, stützen
diese Feststellung (Hanfland 2000).
5.1.2 Fischereiliche Entnahme
Nach Steinhörster (2001) erfolgte der Rückgang in südbayerischen Voralpenflüssen
unabhängig von der Befischungsintensität. Der Rückgang der Äschen in Südbayern fand auch
in Gewässern mit restriktiver Entnahme und geringem Befischungsdruck statt, und hielt auch
nach ganzjähriger Schonung weiter an. In der Ammer sind die Äschen ganzjährig geschont.
Die Entnahme von Äschen durch die Fischerei kann folglich als Ursache ausgeschlossen
werden.
5.1.3 Nahrungskonkurrenz
Nahrungskonkurrenz kann als Ursache unterschiedlicher Entwicklungen in den
Ammerstrecken ebenfalls ausgeschlossen werden. Die Gesamtfischbestände waren in allen
Strecken immer noch - gemessen an der Produktivität der Ammer - verhältnismäßig gering.
Das Vorkommen von Nahrungskonkurrenten für die Äsche ist folglich ebenfalls gering
gewesen. Bei stark ausgedünnten Beständen - weit unter der Kapazität - sind dichteabhängige
Regulationsfaktoren allenfalls von marginaler Bedeutung (Steinhörster 2001). Ein weiteres
Indiz hierfür ist die Tatsache, dass die Bestände der potentiellen „Nahrungskonkurrenten“
(Bach- und Regenbogenforelle) zeitgleich mit der Äsche im Rückgang begriffen waren. In 24
von 26 Gewässerstrecken fiel das Fangergebnis nach Steinhörster (2001) im
Rückgangszeitraum der Äsche niedriger aus als in den vorangegangenen Jahren mit zumeist
überdurchschnittlichen Äschenfängen.
pg_0022
22
5.1.4 Genetische Verfälschung
Über die Auswirkungen von genetischen Verfälschungen durch Besatz mit gebietsfremden
Äschen kann derzeit nur spekuliert werden. Untersuchungen von Stein et al. (2000) belegten
jedoch, dass trotz langjähriger Besatzmaßnahmen mit Äschen in Bayern – und dem damit
verbundenen Transfer von Äschen unterschiedlicher Herkunft in entfernte Gewässerstrecken -
die Äschenpopulationen von Main-, Donau- und Elbe nach wie vor genetisch streng getrennt
sind. In die Ammer wurden im Untersuchungszeitraum ausschließlich Jungfische von
Elterntieren aus der Ammer oder aus unmittelbar benachbarten Gewässern eingebracht.
5.1.5 Besatzmaßnahmen
Im Untersuchungsgebiet wurden im Rahmen des AHP`s Besatzmaßnahmen mit Äschen
durchgeführt. Durchschnittlich wurden 330 Stück bzw. 440 Äscheneinheiten pro ha in den
Referenzstrecken und in der Vergrämungsstrecke besetzt. Darüber hinaus wurden sowohl
unterhalb als auch oberhalb des Untersuchungsgebietes Äschen besetzt. Die Erfolgskontrolle
dieser Besatzmaßnahmen sind in einem ausführlichen Bericht dokumentiert. Es ist nicht
davon auszugehen, dass die Äschen an den Stellen, an denen sie ausgesetzt wurden,
verweilen. Es konnte vielmehr bewiesen werden, daß die Besatzäschen in der Ammer
Wanderungen in erheblichem Umfang durchführen (Hanfland 2001). Die Verteilung der
durchgeführten Besatzmaßnahmen auf die verschiedenen Untersuchungsbereiche sind in
Hanfland 2001 aufgeführt. Aus der Tabelle wird ersichtlich, dass sowohl in den
Referenzstrecken als auch in der Vergrämungsstrecke Äschen in ähnlichen Größenordnungen
besetzt wurden. Es ist jedoch auch zu erkennen, dass der Besatz von 1998 bis 2000 deutlich
gestiegen ist. Eine Erklärung für die unterschiedlichen Bestandsentwicklungen kann nicht
abgeleitet werden.
5.1.6 Schädigungen durch chemische Substanzen
Die verhältnismäßig hohen Schlupfraten bei Äscheneiern aus bayerischen Wildfängen, die
von Hermann (2001), Heinrich (2001) und Schubert (2001) nachgewiesen wurden, sprechen
gegen eine Schädigung von Äschenbeständen durch Wasserinhaltsstoffe.
Schadstoffbelastungen äußern sich bei Lebewesen oft in einer Beeinträchtigung der
Reproduktionsorgane. Eine solche negative Beeinträchtigung konnte in bayerischen
Äschengewässern nicht festgestellt werden. Sachteleben (2000) konnte keinen Einfluss von
Abwassereinleitungen auf den Äschenbestand der Ammer nachweisen. Auch die
landwirtschaftliche Nutzung, sowie die Siedlungsentwicklung in Bayern kann nach
Sachteleben (2000) nicht für den Rückgang der Äsche verantwortlich gemacht werden. Für
Schädigungen durch chemische Substanzen als Ursache unterschiedlicher
Äschenbestandsentwicklungen in der Ammer gibt es keine Hinweise.
5.1.7 Verlust von Laichhabitaten
Nach Königsdorfer et al. (2000) hat sich in der Ammer hinsichtlich des Gewässerausbaus
(Quer- und größere Längsbauwerke, Ausleitungsstrecken) im Rückgangszeitraum der
pg_0023
23
Äsche nichts wesentliches geändert. Dass sowohl Laichhabitate in ausreichender Qualität und
Häufigkeit vorhanden sind und die Reproduktion der Äsche in bayerischen Gewässern
funktioniert, zeigen die Ergebnisse zahlreicher Untersuchungen. Heim (2001) fand auch in
der Ammer potentielle Laichplätze von guter bis mittlerer Qualität. In einigen Fällen konnte
er das Laichgeschehen der Äsche direkt nachweisen. Schubert (2000) konnte eine
funktionierende natürliche Reproduktion nachweisen.
5.1.8 Fraßdruck
Bohl (2001) konnte an der Ammer in einer repräsentativen Anzahl von über 800
Forellenmägen keine einzige Äsche nachweisen. Er schließt daher aus, dass Forellen einen
starken Prädationsdruck auf Äschenpopulationen ausüben.
An der Ammer kommen Gänsesäger in zum Teil erheblichen Stückzahlen vor (LBV 2001).
Die Gewässer werden vor allem in den Wintermonaten von den fischfressenden Vögeln
aufgesucht. Die Vergrämung von Gänsesägern an der Ammer führte zu einem deutlichen
signifikanten Anstieg der Äschenpopulation in der untersuchten Strecke. In den zwei
vergleichbaren Referenzstrecken, in denen keine Vergrämung durchgeführt wurde, konnte
kein Anstieg der Äschenpopulation nachgewiesen werden. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür,
dass bei diesen Untersuchungen an der Ammer andere Faktoren für den Anstieg der
Äschenpopulation verantwortlich gemacht werden könnten als die der Vergrämung. Die
Ergebnisse lassen erkennen, dass auch in der Vergrämungsstrecke über die Wintermonate
1998/1999 und 1999/2000 eine Reduktion des Äschenbestandes eingetreten ist. In der
Vergrämungsstrecke waren im Frühjahr 1999 nur noch rund ein Drittel der Äschen
nachweisbar wie im Herbst 1998. Im Frühjahr 2000 konnten dagegen noch ca. 50 % der
Äschen vom Herbst 1999 nachgewiesen werden. Die etwas verringerte Abnahme der
Äschenpopulation über den Winter 1999/ 2000 im Vergleich zum Winter 98/ 99 lässt sich
möglicherweise durch die verbesserte Vergrämungsmethodik erklären. Über den Zeitraum
von 2 Jahren betrachtet ist der Trend in der Vergrämungsstrecke dennoch positiv, da der
Zuwachs im Sommerhalbjahr deutlich höher als die Abnahme im Winterhalbjahr war. Im
Gegensatz hierzu konnte in den Strecken ohne Vergrämung der Zuwachs im Sommer den
Populationsrückgang im Winter nicht kompensieren.
Die vorliegenden Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass durch die Gänsesägervergrämung
zwar kein absoluter Ausschluss des Gänsesäger-Fraßdruckes an der Ammer geglückt ist
(Bestandsrückgang der Äschen in Beutegröße im Winterhalbjahr). Es lässt sich jedoch eine
deutliche Erhöhung der Äschenpopulation in der Vergrämungsstrecke erkennen. Dies ist auf
eine spürbare Verringerung des Fraßdruckes zurückzuführen. In den Abschnitten ohne
Gänsesägervergrämung ist dagegen ein weiteres Absinken der Äschenbestände zu
beobachten.
Die dargelegten Ergebnisse belegen in eindeutiger Weise, dass sich der Äschenbestand der
Ammer bei einer deutlichen Reduktion des Fraßdruckes durch den Gänsesäger bereits nach
sehr kurzer Zeit erholt.
pg_0024
24
Nach der Bewertung der anderen Teilprojekte des AHP Äsche ist das dargestellte Ergebnis
und die Bewertung des Faktors „Fraßdruck durch Gänsesäger“ auch für andere Flussgebiete
Südbayerns als bedeutend zu bewerten. Aus den vorliegenden Ergebnissen ist abzuleiten, daß
der Fraßdruck durch Gänsesäger zu den wesentlichsten Gefährdungsfaktoren zu zählen ist,
die derzeit auf die Äschenbestände einwirken.
6
Literaturverzeichnis
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Untersuchung ausgewählter Populationen und ihrer Lebensräume. Bayerns Fischerei + Gewässer.
Schriftenreihe des Landesfischereiverbandes Bayern. Heft 5
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des Artenhilfsprogramm Äsche über den Untersuchungszeitraum von April bis Dezember 2000.
Landesamt für Wasserwirtschaft, Abteilung gewässerökologische Forschung
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Hanfland S. 2001: Erfolgskontrolle von Besatzmaßnahmen mit Äschen (Thymallus thymallus) in
südbayerischen Fließgewässern. Landesfischereiverband Bayern e.V.
Keller T.,Vordermeier T., Lukowicz M.v. & Klein M. 1996: Der Einfluss des Kormorans
Phalacrocorax carbo sinensis auf die Fischbestände ausgewählter bayerischer Gewässer. Fischer &
Teichwirt 47/3
Mathes E. 1993: Zur Bestandssituation der Äsche (Thymallus thymallus L.) in Bayern.
Landesfischereiverband Bayern e.V.
Mühlenberg K. 1993: Freilandökologie.-Uni-Taschenbücher 595, Quelle & Meyer Verlag,
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Schmutz S., Kaufmann M., Vogel B. und Jungwirth M. (2000): Grundlagen zur Bewertung der
Fischökologischen Funktionsfähigkeit von Fliessgewässern. Bundesministerium für Land- und
Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft, Wasserwirtschaftskataster. Wien
Schiemer und Waidbacher (1992): Strategies for conserving Danube fish communities. River
Conservation and Management. Edited by P.J.Boon, P.Calow, G.E.Petts, 363-382, John Wiley Ltd.
Seifert K. 1997: Erarbeitung von Grundlagen und Vorschlägen zur Erstellung eines Gesamtkonzeptes
zur Regelung von naturschutzrelevanten Einflüssen auf die Ammerschlucht. Teilbeitrag
Gewässerökologie, Fischfauna, Fischerei. Auftraggeber: Regierung von Oberbayern
Stein H., Rottmann R., Kühn R., Gross R., Fuchs H., Hänfling B., Schlee P., Born O. (2000):
Genetische Differenzierung von Fischpopulationen bayerischer Gewässer. Sonderheft 4 der
Schriftenreihe des Landesfischereiverbandes Bayern e.V.; 16S.
Stein H. & Mathes E. 1989: Markierung von Süßwasserfischen.-Fischer & Teichwirt, 40:198 -201
Steinhörster, U. & H. Stein (1997): Bestandssituation der Äsche im Landkreis Bad Tölz-
Wolfratshausen. - Fischer und Teichwirt, 48/2: 51-56.
VDFF (2000): Fischereiliche Untersuchungsmethoden in Fließgewässern. Schriftenreihe des
Verbandes Deutscher Fischereiverwaltungsbeamter und Fischereiwissenschaftlter e.V. Heft 13 2000
Waldmann E. (2000): Mündliche Mitteilung; Fischergilde München e.V.
Wißmath P. (1997): Gutachten zur Fischereibiologie, zur Fischerei und zum Fischartenschutz in der
Ammerschlucht. Bezirk Oberbayern. Bezirksverwaltung, Fachberatung für Fischerei
pg_0025
25
7
Anhang
7.1
Statistik
Alle nachfolgend aufgeführten Berechnungen und Tests basieren auf den im Rahmen der
Untersuchung erhobenen Daten. Die zugrunde liegenden Zahlenwerte sind aus dem Anhang
im Originalbericht zu ersehen.
7.1.1 Berechnungen zu den quantitativen Ermittlungen der Fischbestandsdichten
Die Abschätzung der quantitativen Abschätzung der Fischbestandsdichten erfolgte nach dem
s.g. Petersen- oder Lincoln-Index, mit einmaligem Markieren und einmaligem Wiederfang
nach der Formel:
r
c
m
N *
=
mit
N = Geschätzte Zahl der Individuen der Gesamtpopulation
m = Gesamtzahl der gefangenen und markierten Tiere beim 1. Fang
c = Gesamtzahl der gefangenen (beobachteten) Tiere beim zweiten Fang
r = Anzahl der markiert wiedergefangenen (wiederentdeckten Tiere) bei der zweite
Befischung
Die Varianz des geschätzten Bestandes wurde nach der Formel
3
2
)
(
)
(
r
r
c
c
m
N
Var
-
=
(Mühlenberg,1993) ermittelt.
Da nur jeweils ein Wiederfang erfolgte, kann für N kein Vertrauensintervall angegeben
werden und die aus der Varianz ermittelte Standardabweichung stellt zugleich den
Standardfehler von N dar.
Anmerkung: Die von Mühlenberg für diese Form der Varianzerrechnung einschränkend
erwähnten Bedingungen „c sollte ziemlich nahe an m liegen, r möglichst > 20 sein“ beziehen
sich vermutlich auf das Entstehen s.g. Skaleneffekte (höhere Varianzen mit höherem N) bei
der Schätzung großer Bestände aus kleinem r. Da dies im schlimmsten Fall zu einer
Überschätzung der Varianz führt, wurden nur Werte 5
£
r als ’kritisch (!!)’ ausgewiesen.
Aus dem so ermittelten Wert N pro Fischart pro Gewässerabschnitt wurden die Werte
Gesamtgewicht pro Gewässerabschnitt, sowie N pro Hektar und Gesamtgewicht pro Hektar
separat für verschiedene gewässerspezifische Fischarten ermittelt. Aus Gründen der
Verhältnismäßigkeit der Berechnungen wurden dabei die Flächenabschätzungen und die
Durchschnittsgewichte der Fischarten als konstante Größen (also ohne eigenen Fehler)
pg_0026
26
behandelt. Alle so ermittelten Größen wurden mit ihrem, aus der Schätzung von N
resultierenden Standardfehler angegeben.
Die Ermittlung der Fangeffektivität und deren Fehler erfolgte, da sie als Wert aus einem
nichtlinearen Zusammenhang zu N ermittelt wird, approximativ über Taylor-Reihen. Alle so
ermittelten Werte sind im Originalbericht aufgelistet.
7.1.2 Berechnungen und Tests zu den Fangentwicklungen
7.1.2.1 Vergleich der drei Ammerstecken
Mehrere Vergleiche und Test wurden durchgeführt. Zunächst sollte ein Überblick darüber
gewonnen werden, ob die drei Gewässerabschnitte in ihrem mittleren Fanggewicht im
Beobachtungszeitraum vergleichbar waren. In einem zweiten Schritt sollte geklärt werden
wie sich die Fanggewichte innerhalb eines Gewässerabschnitts im Beobachtungszeitraum
verändert haben und ob sich daraus ein Trend absichern lässt. Als Daten standen die
Fangerträge der drei Gewässerabschnitte in Anzahl Äschen/100m, Gewicht Äschen in
kg/100m, Gesamtanzahl gefangener Fische/100m und Gesamtgewicht gefangener Fische
kg/100m zur Verfügung, wie sie den Säulendiagrammen über die Fangentwicklungen im
Bericht zu entnehmen sind. Vom Gewässerabschnitt Ammer-I (Vergrämstrecke) lagen 7,
von Ammer-I a (Referenzstrecke Ia) und Ammer-II (Referenzstrecke II a) je 4
Beobachtungsdaten über einen Zeitraum von rund 2 Jahren vor. Grundsätzlich wurde davon
ausgegangen, dass die drei Gewässerabschnitte in Struktur und zu erwartendem Fangertrag
sehr ähnlich, und deshalb vergleichbar sind.
Zunächst wurde mit robusten Testverfahren untersucht ob sich die drei Gewässerabschnitte in
ihren mittleren Fangergebnissen über den gesamten Beobachtungszeitraum unterscheiden.
(robuste Tests da es nicht zu erwarten war, dass die Fangerträge im Beobachtungszeitraum
normalverteilt sind).
Ergebnis: Für alle vier oben genannten Variablen ergab sich ein signifikanter bis
hochsignifikanter Unterschied zwischen den drei Gewässerabschnitten. Da, wie leicht zu
erkennen ist, diese Signifikanz auf der starken Abweichung von Ammer-I (Vergrämstrecke)
gegenüber den beiden anderen Abschnitten beruht, wurden in einem zweiten Schritt letztere
miteinander verglichen.
Ergebnis: Kein signifikanter Unterschied in den Fangergebnissen zwischen Ammer-I a und
Ammer-II a. (Referenzsterecken I a und II a.
7.1.2.2 Regressionsanalysen
Um die Fangdaten auf Trends im Beobachtungszeitraum hin zu prüfen wurde folgende
Methode benutzt: Die Zeitachse wurde kodiert. Beginnend mit Oktober 98 wurden die
Monate durchlaufend nummeriert (zB. Nov 98 = 2, März 99 = 6, usw.). Um die z.T. starken
Unterschiede zwischen Herbst- und Frühjahrsfängen zu kontrollieren wurde ein zusätzliche
pg_0027
27
Variable ’Saison’ eingeführt (1 = Dez, Jan, Feb; 2 = März, April, Mai; 3 = Juni, Juli, Aug; 4 =
Sept, Okt, Nov).
Als Modell wurde eine Kovarianzanalyse gewählt:
n_aesch, gew_aesch, n_tot, gew_tot = b (c_mon) + season
n_aesch = Anzahl Äschen/100m
gew_aesch = Gewicht Äschen in kg/100m
n_tot = Gesamtanzahl Fische/100m
gew_tot = Gesamtgewicht Fische, kg/100m
b(c_mon) = Regression auf Kovariable « kodierter Monat »
season = Klassenvariable Saison
Die abhängigen Variablen wurden nacheinander, nicht gleichzeitig getestet.
Ammer-I (Vergrämstrecke)
Da in erster Linie ein Vergleich der Fangentwicklungen des Gewässerabschnittes Ammer-I
(Vergrämstrecke) mit den Entwicklungen in den beiden anderen Abschnitten beabsichtigt
war, wurde zunächst die Fangentwicklung dieses Gewässerabschnitts geprüft.
Ergebnis: Es ergaben sich für alle abhängigen Variablen signifikante bis hochsignifikante F-
Tests für das verwendete Modell, bei sehr guten Anpassungen. In allen Fällen konnte ein
positiver Regressionskoeffizient geschätzt werden, der hochsignifikant von 0 verschieden
war.
Schlussfolgerung: Die Fangentwicklung im Betrachtungszeitraum lässt sich mit hoher
Genauigkeit durch eine lineare Regression beschreiben. Für alle gewählten abhängigen
Variablen konnte eine positive Entwicklung nachgewiesen werden.
Anmerkung: Für diese Form der Analyse und des Tests wird gemeinhin die Normalverteilung
der Residuals, also der, nicht durch das Modell erklärbaren Restvarianz gefordert. Ein
Zutreffen der Normalverteilung kann im vorliegenden Sachverhalt nicht ausgeschlossen
werden. Darüber hinaus zeigen zahlreiche Simulationsstudien, dass die ANOVA (und somit
der F-Test) sehr robust gegen Abweichungen von dieser Vorrausetzung ist.
Ammer I a + II a (Referenzstrecke I a und II a)
In einem zweiten Schritt wurde geprüft ob dieselbe Entwicklung auch in den beiden anderen
Flussabschnitten nachgewiesen werden kann. Da im vorliegenden Fall mit nur 4 Werte pro
Gewässerabschnitt vorlagen, ein F-Test mit nur einem Residual-Freiheitsgrad aber so gut wie
nie signifikant sein kann, wurden die Daten der Abschnitte Ammer-Ia (Referenzstrecke I a)
und Ammer-IIa (Referenzstrecke IIa) zusammengefasst.
Ergebnis: Trotz eines signifikanten F-Tests bei drei der vier abhängigen Variablen (außer
“Gewicht Aeschen kg/100m“), bei zufriedenstellender Anpassung, kann in keinem Fall ein
signifikant von Null verschiedener, positiver Regressionskoeffizient geschätzt werden.
pg_0028
28
Schlussfolgerung: Im Beobachtungszeitraum war, trotz zufriedenstellender Anpassung eine
positive Entwicklung der Fangergebnisse nicht nachweisbar.